Wien, es ist nicht genug!

Wien, es ist nicht genug!

28.10.2021, 06:00:00 UTC

Österreich ist ein demokratisches Land mit hohem Wissensstand und Lebensstandard. Trotzdem werden seit Jahren die Forderungen von Umweltaktivist*innen, Verkehrswissenschaftler*innen und Bürger*innen nicht gehört, wissenschaftlich belegte Fakten und Berichte ignoriert und die langfristige Lebensqualität in einem klimagerechten Umfeld bedroht. Es geht um das stark umstrittene Mega-Bauprojekt “Lobau-Autobahn”, durch dessen Bau Teile des Nationalparks Donau-Auen, aber auch Wohngegenden zerstören würden.

Demonstration gegen die Lobau-Autobahn
Foto: System Change, not Climate Change!
Besetzter Bagger in der "Wüste"
Foto: System Change, not Climate Change!

Jahrelang schon läuft die Debatte darüber, ob und wie die Planungen umgesetzt werden sollen. Es wird stark dagegen protestiert, hunderte von Umweltorganisationen, Initiativen und Bürger*innen lehnen sie komplett ab. Tausende von Menschen marschieren auf den Straßen Wiens, um die Sichtbarkeit dieser Ungerechtigkeit gegenüber Natur und zukünftigen Generationen zu erhöhen.

Mit einem festgefahrenen Mindset aus dem letzten Jahrhundert haben politisch legitimierte Parteien schlussendlich den Baubeginn durchgesetzt. Als Reaktion darauf taten die Umweltaktivist*innen tatkräftig den allerletzten und erfolgreichsten Schritt, um diesen zu verhindern: sie wehren sich physisch gegen die Bauarbeiten, die Baustellen und die Bagger vor Ort sind besetzt.

Irgendetwas in der hier gelebten Demokratie läuft falsch, wenn politische Vertreter*innen nicht den Willen der Bürger*innen umsetzen wollen und nicht-politisch legitimierte Personen es statt ihnen tun - und zwar illegal. Während Entscheider*innen im Wiener Rathaus stolz und prominent mit Halbwahrheiten an die Öffentlichkeit treten und erklären, dass sie das Beste für unsere tolle Stadt tun, bleiben die namenlosen Kämpfer*innen für Gerechtigkeit unserer und zukünftiger Generationen größtenteils ungeachtet. Dabei sind sie diejenigen, die den Schutz unserer Umwelt zur Priorität machen und dabei die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen. Sie sollten als die echten Held*innen unserer Zeit anerkannt und ihre Namen sollten in den Medien bejubelt werden. Sie sind jene, die sich für den Wohlstand von uns allen - als Bürger*innen dieser Stadt - persönlich einsetzen. Sie sind diejenigen, die monatelang in Zelten auf den Baustellen übernachten, auf Lebenskomfort verzichten und das Risiko eingehen, durch die Polizei oder Baufirmen konfrontiert zu werden. 

Eines der Camps nahe der U-Bahn-Station Hausfeldstraße ist besonders. Die Umgebung dort ähnelt einer kleinen Stadtwüste. So würde unser Planet aussehen, wenn wir nicht jetzt handeln: Schotter, soweit das Auge reicht, leblose Natur, tote Erde. Mehr gibt es nicht und wird es auch nicht geben. Außer natürlich Straßen, Autos, Lärm und Abgase. Dieses Camp wird zurecht auch offiziell die Wüste genannt. Um ein Zeichen dagegen zu setzen, wurden hier nicht nur die Bagger besetzt, sondern auch Bäume und Gemüsegärten durch die Aktivist*innen gepflanzt. Wenn man dort ist, bekommt man sofort das Gefühl, was uns alle erwartet, wenn wir nicht jetzt damit aufhören. 

Wüste

Es kann nicht sein, dass unsere Zukunft lediglich durch Beton, Straßen, Autos, Abgase und Lärm anstatt durch Bäume, Pflanzen, Bienen und frische Luft geprägt wird. Es kann nicht sein, dass für so eine lebenswerte Stadt wie Wien keine besseren Alternativen in der Verkehrsplanung gibt. Die Lobau-Autobahn ist nicht nur bezüglich ihrer verkehrlichen Planung veraltet, auch werden  Steuergelder in Summen ausgegeben, mit denen die gesamte Stadt mit Fahrradwegen ausgebaut werden könnte. Und definitiv ist die Lobau-Autobahn nicht zukunftsgerecht. Sie setzt ein falsches Zeichen. Genauso wie die Politiker*innen, die sich dafür entschieden haben. Trotz ihrer Bemühungen, durch eine öffentliche Debatte Lösungen für diesen Konflikt zu finden, fehlt es an Umsicht und Einsicht. Und die Zeit läuft. 

Deswegen es ist einfach nicht genug!

Wir brauchen innovative Lösungen für die Stadtplanung. Dafür können beispielsweise erprobte Erfolgskonzepte aus anderen Ländern herangezogen werden und durch die Einbindung von Wissenschaftler*innen und Bürger*innen wünschenswerte Alternativen gefunden werden. Angesichts aktueller Herausforderungen in der Klimakrise und der damit verbundenen Notwendigkeit eines Wandels hin zu einer grünen Wirtschaft, CO2-neutralen Mobilität sowie der stetig wachsenden Bevölkerung besteht die Notwendigkeit für eine langfristig orientierte und im Einklang mit den Klimazielen stehende Stadtplanung. Die negativen Folgen der jetzigen Verkehrspolitik im Fall der Lobau-Autobahn betreffen vor allem die Stadtgebiete im Nord-Osten Wiens, im 22. Bezirk Donaustadt, sowie die Grenzgebiete in Niederösterreich wie z.B. Groß-Enzersdorf. Die Donaustadt ist der größte Bezirk Wiens und ist seit Jahren durch einen rasanten Anstieg der Bevölkerung und somit auch einer steigenden Anzahl an Wohngebäuden gekennzeichnet. Durch die amtierenden Parteien wird der akute Bedarf für innovative Raumplanungs-, Verkehrs- und Wohnpolitik in diesem Bezirk nicht gedeckt. Aus diesem Grund wollen wir uns bei Volt Wien diesem Thema widmen und progressive und pragmatische Lösungen ausarbeiten, die den Stand der Wissenschaft, europäische Best Practices und die Stimmen der Bevölkerung berücksichtigen. Das Thema betrifft sowohl die lokale politische Ebene, als auch Entscheidungen, die auf Landes- und Bundesebene getroffen werden müssen und verbindet die Themengebiete aus der Umwelt-, Verkehrs- und Wohnpolitik. Lokalpolitik beeinflusst das Leben der Menschen direkt und auf lokaler Ebene ist Demokratie erlebbar. Auch für Volt als Partei spielt die lokale Ebene eine essenzielle Rolle, denn hier begegnen wir uns persönlich und knüpfen Bande in ansässigen Communities. Die Debatte um die Lobau-Autobahn betrifft in erster Linie Wien und die Umgebung direkt, wird jedoch darüber hinaus im Sinne einer Vorbildwirkung eine entscheidende Rolle für die Politik in anderen Regionen inner- und außerhalb Österreichs spielen. Wir stehen vor einem Wendepunkt mit internationaler Bedeutung für die Erreichung der EU-Klimaziele, der in Wien ausgelöst werden kann. 

Wir wollen deswegen auch unseren Beitrag für die Entscheidungsfindung leisten, damit eine faktenbasierte Demokratie gelebt wird. Wir wollen die gewählten politischen Vertreter*innen daran hindern, die größte Fehlentscheidung in der Wiener Stadtplanung zu realisieren. Dafür unterstützen wir die Lobau Camps und die Aktivist*innen vor Ort mit Öffentlichkeitsarbeit und Spendenaktionen und fordern auch ganz laut den Baustopp! 

Ina Dimitrieva
Citizen Empowerment @Volt Europa

Hintergrundinformation:
Seit Jahren beschäftigen sich Politik und Öffentlichkeit in Österreich mit dem geplanten Megaprojekt zur Errichtung einer neuen Autobahn und eines Tunnels durch die Lobau, einen Teil des Nationalparks Donau-Auen, am Stadtrand Wiens. Das Projekt ist sehr umstritten, weil der dadurch erwartete Nutzen für die Stadtentwicklung wie eine Verkehrsentlastung, beruhigte Ortskerne oder Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohnraum mit sehr hohen umweltbelastenden, sozialen und finanziellen Kosten verbunden sind und diese “Nutzen” aus wissenschaftlicher Sicht sehr fraglich sind. Aus diesem Grund gibt es zahlreiche Organisationen wie Greenpeace, FFF, Extinction Rebellion, System Change Not Climate Change, der Jugendrat sowie Verkehrsplaner*innen und Wissenschaftler*innen, die sich ausdrücklich gegen die Genehmigung und Umsetzung dieses Projekts stellen.

Mehr Informationen dazu können unter #lobaubleibt oder auf den Social Media Seiten der oben genannten Organisationen gefunden werden.